Aktives Zuhören
Abgesehen davon, dass dieser Begriff "Rogerian listening" zur Beschreibung der Klientenzentrierten Gesprächstherapie "Person-centered Therapy" Carl Rogers verwendet wird, gibt es keine verbindliche Definition. So hat also jeder seine eigene Vorstellung davon, wie man aktiv zuhört.
Inhaltsverzeichnis
Zuhören ist nie passiv
Zuhören ist immer ein aktiver Vorgang, selbst dann, wenn der Zuhörer nichts sagt. Angefangen bei dem Kommunikationsgrundsatz von Paul Watzlawick "Man kann nicht nicht kommunizieren", der im Volksmund lautet: "Keine Antwort ist auch eine Antwort", über die unvermeidlichen Mikroexpressionen des Zuhörers, bis zum Passiv-aggressiven Einschlafen, gibt es doch immer eine Reaktion. Auch die automatisierten kognitiven Vorgänge des Hörens und Sprachverstehens sind letztlich eine Aktivität. Die Bereitschaft zum Zuhören zu zeigen, ist eine Aktivität. Alles, was beim Zuhören im Körper, im Kopf, im Gehirn, im Geiste, im Bewusstsein des Zuhörers passiert, ist eine Aktivität.
Einen Raum schaffen
Ohne Zuhörer ist das Denken im Kopf im eigenen Geist gefangen. Der Zuhörer hilft dabei mit, dem Denken einen größeren Raum zu schaffen, im Idealfalle einen Geschützten Raum. Dadurch kann sich das Denken ausdehnen. Ansätze in diese Richtung sind das Selbstgespräch und das Tagebuch. Das Aussprechen erfordert, den Gedanken und Gefühlen eine konkretere Form zu geben. Allein dadurch wird auch für einen selbst vieles klarer, auch dann, wenn man zu einer Wand spricht. Einen Raum zu schaffen, in den hinein gesprochen werden kann, ist auch gleichbedeutend mit einer Erlaubnis, die geschaffen wird. Der Zuhörer legitimiert durch die Unterlassung des Widerspruchs die Existenz der geäußerten Gedanken und Gefühle. Das bedeute nicht, dass er die geäußerten Ansichten gutheißt, sondern dass diese Ansichten existieren dürfen und ausgesprochen werden dürfen, die Grundlage der "Meinungsfreiheit", die im Englischen wikipedia:freedom of speech heißt.
Paraphrasieren ist sinnvoll
Das Gehörte mit eigenen Worten wiederzugeben ist grundsätzlich hilfreich für die Klarheit in der Kommunikation. Es wird aber nicht immer als empathisch empfunden und kann ins Intellektualisieren, in Haarspalterei ausarten und den Sprecher dann stören bzw. ablenken. Um produktiv zu paraphrasieren, müssen zwei Aspekte geklärt werden:
- Dient das Gespräch primär dem Informationsaustausch oder der Einfühlung?
- Empfindet der Sprecher das Paraphrasieren tendenziell eher als störend oder als hilfreich?
Wenn der Zweck des Gesprächs eher die Einfühlung ist, sollten die Inhalte weniger oder gar nicht paraphrasiert werden, die Formulierungen, bei denen es um Gefühle und Bedürfnisse geht aber schon.
Deutlich mehr Fragen als Antworten
Damit das Aktive Zuhören nicht die Eigenschaften von Gegenrede und Widerspruch bekommt, ist es wichtig, die Reaktionen in Frageform zu geben. Zuerst einmal hat der Sprecher grundsätzlich die Interpretationshoheit bezüglich seiner eigenen Gefühle bzw. seines gesamten eigenen Innenlebens. Es ist also völlig unzulässig, dem Sprecher zu sagen, was er fühlt. Derartige Aussagen des Zuhörers dürfen also nur in der Frageform erfolgen: "Bist Du enttäuscht, dass es nicht funktioniert hat?"; "Betrachtest Du das eher als Erfolg oder als Misserfolg?".
Empathisches Zuhören
Empathisches Zuhören im Sinne der GfK geht noch weiter. Hier wird nicht nur die Interpretationshoheit bezüglich des Innenlebens des Erzählers respektiert und aktiv dafür gesorgt, dass ein Geschützter Raum entstehen kann, sondern der Empathische Zuhörer versucht systematisch hinter dem Gesagten die Gefühle und Bedürfnisse des Erzählers zu entdecken und den Erzähler darin zu bestärken, sich mit diesen zu befassen und sie selber ernst zu nehmen und zu akzeptieren. Der Empathische Zuhörer behält die eigenen Bewertungen der Meinungen des Erzählers grundsätzlich für sich. Er versucht auf keinen Fall, die Gefühle des Erzählers zu ändern (trösten, beschwichtigen, ermuntern), sondern er nimmt die Gefühle und Bedürfnisse an, gibt ihnen Raum und Legitimation. Der einzige "Änderungsauftrag", den der Empathische Erzähler hat, ist es, verschüttete, verdrängte, unklare, unbewusste Gefühle und Bedürfnisse sichtbarer und bewusster zu machen.