Bewerten

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Der erste Schritt des GfK-Prozesses ist es, Bewertung und Beobachtung voneinander getrennt zu halten und sich auf die Beobachtung zu konzentrieren.

Bewerten, ein fundamentales Element wölfischen Denkens?

Nein, es ist eine fundamentale Funktion menschlicher Kognition, also auch "giraffischen" Denkens. Es ist, wie Agent Smith sagen würde "u n v e r m e i d l i c h". Man kann die Funktion des Bewertens nicht aus dem menschlichen Denken entfernen, ohne den Mensch dadurch mental zu verkrüppeln, ihn lebensunfähig zu machen. Sollte man, mittels eigener mentaler Anstrengung, versuchen, das Bewerten zu unterlassen, kommt man zuerst einmal in eine Paradoxe Situation: Man muss dann nämlich sein eigenes Denken ständig darauf hin überprüfen, ob man bewertet, oder nicht. Und dieser Prozess beinhaltet als integrales Element das Bewerten der eigenen Gedanken. Wer klar denken kann und keine Neigung zum Selbstbetrug hat, wird also schnell zugeben müssen, dass es prinzipiell unmöglich ist das Bewerten zu unterlassen.

Der Lieblingsirrtum der GfK-Anfänger: Bewerten sei un-GfK-isch

In Medien über Gewaltfreie Kommunikation von Marshall Rosenberg wird gerne Krishnamurti zitiert aber leider oft falsch, weil verkürzt. Da wird behauptet, Krishnamurti hätte das Unterlassen von Bewertungen für eine hohe Form menschlicher Intelligenz gehalten.

Jiddu Krishnamurti: "Beobachtung und Beurteilung von einander getrennt zu halten ist die höchste Form menschlicher Intelligenz."

Die Probleme entstehen nämlich nicht durch das Bewerten an sich, sondern dadurch, dass man zu einem sehr frühen Zeitpunkt im kognitiven Prozess zum Bewerten übergeht und die Bewertung dann zensierenden Einfluss auf die Beobachtung vornimmt, bzw. die vorher gemachte Beobachtung im Nach-herein zensiert und darüber hinaus die eigene Bewertung vor sich und anderen für eine "objektive" Beobachtung ausgegeben wird. Das gehört in den Problemkreis "Verschiebung von Verantwortung" weil hier die Verantwortung für die (meist abwertende) Bewertung in die Zuständigkeit der "objektiv" wahrgenommenen Umstände verschoben wird, scheinbar versachlicht wird.

Daher der Rat, Beobachtung und Bewertung so gut wie möglich getrennt zu halten, sie bewusst und deutlich voneinander zu unterscheiden und nicht ineinander fließen zu lassen. Das ist keine leichte Aufgabe! Das lernt man nicht an einem Tag oder in einem Jahr. Es bleibt eine lebenslange Übung.

Was passiert, wenn man das Bewerten unterdrückt?

Da man das Bewerten nicht abschalten kann, kann man es nur unterdrücken, wenn man das Bewerten als schlecht bewertet.
Wenn man es also versucht zu unterdrücken, anstelle es klar vom Beobachten zu trennen, dann wandert der Vorgang der Bewertung noch weiter ins Unbewusste ab. Er entzieht sich damit noch mehr der bewussten Kontrolle, was das genaue Gegenteil von dem ist, was man eigentlich beabsichtigte. Die eigenen Beobachtungen werden noch mehr von eigenen Bewertungen kontaminiert. Und da unsere Bewertungen immerhin Hinweise auf unsere Gefühle und Bedürfnisse sind, verschüttet man mit der Unterdrückung der eigenen Bewertungen zudem die Möglichkeit, über die Wahrnehmung (Beobachtung) dieser Bewertungen zu den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen vorzudringen. Ich bewerte diesen Prozess als Anti-GfK!


Wieso sollte überhaupt jemand nicht bewerten wollen?

In einer von Wolfssprache dominierten Welt aufgewachsen zu sein, bedeutet, oft bewertet worden zu sein und meistens negativ. Das ist eine mindestens unangenehme und nicht selten traumatisierende Erfahrung. Die Verantwortung für diese negative Erfahrung wird von allen Seiten, vom Bewerter wie vom Bewerteten, auf den Vorgang der Bewertung geschoben, also verschoben. Tatsächlich liegt die Verantwortung beim Bewerter und beim Bewerteten. Schließlich lernen wir mittels der GfK so zu bewerten, dass es nicht verletzend wirkt -> Wertschätzung und Anerkennung und Bewertungen anderer so zu hören, dass wir dahinter ihre Gefühle und Bedürfnisse wahrnehmen und es nicht als Kränkung auffassen. Da aber für den GfK-Untrainierten das Übel in der negativen Bewertung zu liegen scheint, versucht er, dieser auszuweichen, sie zu verdrängen, sie nicht zu hören und, um vor sich und anderen nicht als unfair zu erscheinen, selber keine solchen negativen Bewertungen auszusprechen. Man erkennt solche kontraproduktiven Neigungen daran, dass über (unausgesprochen negative) Bewertungen schlecht gesprochen wird, dass das Bewerten 'an sich' kritisiert wird, was natürlich ein verräterisches Paradox ist ;-)