Bedürfnis

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Fundamentale Eigenschaft eines Lebewesens, Quelle der Gefühle, 3. Schritt im GfK-Prozess

Fundamentale Eigenschaft

Lebewesen entstehen, leben und sterben.

Grundbedürfnisse

Damit ein Lebewesen leben kann und nicht sterben muss, müssen seine Grundbedürfnisse hinreichend gedeckt werden. Für alle Säugetiere und alle Menschen gilt, dass sie Luft zum Atmen brauchen, also ein Gasgemisch, das nicht zu viel und nicht zu wenig Sauerstoff (O2) enthält, möglichst wenig schädliche Gase und das nicht zu warm und nicht zu kalt sein darf, nicht zu trocken und nicht zu feucht. Der Gasdruck sollte um 1 Atm sein. Das ist ein Grundbedürfnis. Ohne Atemluft stirbt jeder Mensch innerhalb von wenigen Minuten. Dieses Bedürfnis ist "bauartbedingt". Menschen sind Kohlenstoff-basierte Lebensformen. Ihre biochemischen energetischen Prozesse basieren auf der Verbrennung, der Oxydation von Kohlenstoff. Ohne Sauerstoff ist das unmöglich. Es ist also völlig unmöglich, das Bedürfnis nach Sauerstoff vom Menschen zu trennen. Man müsste eine völlig neue Rasse züchten, einen Abkömmling vom Menschen, der super-effektive Photosynthese in seiner grünen Haut betreibt und daher notwendigerweise nackt bleiben müsste, sich nur langsam und nur am Tage bewegen könnte (weil die Energiedichte der Energieaufnahme durch Sonnenlicht relativ gering ist) und der bei anhaltender Dunkelheit sterben würde. Man hätte also das Bedürfnis nach Atemluft durch das Bedürfnis nach viel Licht getauscht. Licht und CO2 wäre dann das Grundbedürfnis dieser fiktiven Rasse. Das Grundbedürfnis nach Flüssigkeit, also nach Wasser (H2O) wäre das gleiche. Der Mensch kann 3 Tage ohne Wasser auskommen. Dann stirbt er. So hat jedes Lebewesen verschiedene Grundbedürfnisse. Werden sie nicht gedeckt, werden sie erst schwach, dann krank und sterben schließlich. So wie alle Menschen atmen müssen, so haben sie auch alle die gleichen Grundbedürfnisse. Alle Bedürfnisse sind integraler Bestandteil des Wesens. Es ist nicht möglich, die Bedürfnisse vom Wesen zu trennen. Man kann Bedürfnisse nur besser oder schlechter decken.

Bedürfnisse höherer Ordnung

Nicht alle Bedürfnisse sind so unmittelbar als existenziell erkennbar wie atmen, trinken und essen. Das Individuum kann ein ganzes Leben ohne Sex auskommen. Aber die Rasse kann nicht fortbestehen, wenn keines ihrer Individuen sich fortpflanzt. Die Rasse oder die Gesellschaft ist ein Wesen höherer Ordnung und hat das Bedürfnis des kollektiven Selbsterhaltes, das durch die Fortpflanzungsleistung ihrer Individuen gedeckt werden muss. Es müssen sich zweigeschlechtliche Wesen im statistischen Mittel also mindestens zwei mal fortgepflanzt haben, bevor sie sterben, damit der Bestand nicht abnimmt. Fortpflanzung ist ein Grundbedürfnis der Gesellschaft, nicht des Individuums.

Die individuellen menschlichen Bedürfnisse höherer Ordnung drückten sich in einer bisher unbestimmten Anzahl aus, die mehr oder weniger subtil sind. Da unser Gesellschaftssystem nicht bedürfnisorientiert ist oder jemals war, hat sich bisher keine klare bedürfnisbezogene Sprache gebildet. Das führt dazu, dass viele Bedürfnisse geradezu unbekannt sind oder nicht ernst genommen werden, weil sie kulturell nicht verankert sind und selbst sprachlich unscharf. Aus tantrischer Sicht, also aus der Sicht einer sehr alten (7.000 Jahre) spirituellen Philosophie, hat der Mensch z.B. ein Bedürfnis nach Ausdehnung (bzw. Fortschritt) das Vistâra genannt wird und grenzenlos ist. Wird dieses Bedürfnis nicht gedeckt, stirbt man nicht daran. Aber, es macht das Leben nicht-lebenswert. Und es kommt durchaus vor, dass Menschen bereit sind, ihr individuelles Leben dafür zu opfern, dass es in der Gesellschaft diese (mentale) Ausdehnung, einen Fortschritt gibt, wenn es eine gesamtgesellschaftliche Hemmung in diesem Bereich gibt. Auch kommt es häufig vor, dass sich Menschen selber töten, wenn sie meinen, in ihrem individuellen Leben keinerlei Chance für eine Verwirklichung dieser subtileren Bedürfnisse zu sehen, weil ihnen ihr reines Überleben nichts bedeutet. Auch die Bedürfnisse höherer Ordnung lassen sich nicht vom Menschen trennen. Sie stehen nicht zur Wahl. Auch sie sind integraler Bestandteil des menschlichen Wesens.

Bedürfnisse sind die Quelle der Gefühle

Wenn bei einem Bedürfnis eine Unterdeckung vorliegt, verursacht das ein spezifisches unangenehmes Gefühl. Oft wird in diesem Zusammenhang auch von 'negativen' Gefühlen gesprochen, was aber irreführend ist. Das Gefühl ist nichts schlechtes, sondern etwas notwendiges, auch wenn es unangenehm ist. Das unangenehme Gefühl als negatives Gefühl zu bezeichnen, ist der Anfang davon, das Gefühl verdrängen zu wollen, anstatt dafür zu sorgen, das die Deckung des Bedürfnisses verbessert wird. Der Zweck des unangenehmen Gefühls ist aber ausschließlich der, uns auf die Unterdeckung aufmerksam zu machen und uns dazu zu motivieren, für eine bessere Deckung des Bedürfnisses zu sorgen. Das Gefühl hat also immer eine Signalfunktion. Es ist ein Bote, der die Nachricht über den Zustand des Bedürfnisses ins Bewusstsein bringen soll. Töte nicht den Boten, auch wenn er schlechte Nachricht bring. Denn davon wird nichts besser, im Gegenteil!

Angenehme Gefühle sind die Folge von einer zunehmenden, ausreichenden oder sehr guten Deckung eines Bedürfnisses. Eine deutliche Überdeckung, wie z.B. ein zu voller Magen, führen wiederum zu unangenehmen Gefühlen. Hauptsächlich treten die angenehmen Gefühle während des Vorganges der Deckung auf. Wenn ein Bedürfnis gedeckt wurde und dann eine Weile in diesem Zustand verbleibt, verursacht das für gewöhnlich gar keine Gefühle.

Es gibt eine Reihe psychischer Fehlhaltungen in Bezug auf Gefühle:

  • Verdrängung: Eigene Gefühle nicht wahrnehmen zu wollen
  • Entfremdung: Eigene Gefühle nicht wahrnehmen zu können
  • Psychopathie: Die Gefühle (und Bedürfnisse) anderer zu ignorieren
  • Projektion: Andere für eigene Gefühle verantwortlich machen

Ein wesentlicher Teil der Übung in Gewaltfreier Kommunikation besteht darin, die eigene Fähigkeit zu verbessern bzw. wiederherzustellen, die eigenen Gefühle den eigenen Bedürfnissen (wieder) richtig zuzuordnen und die Verantwortung für die eigenen Gefühle (wieder) zu übernehmen.

Der 3. Schritt im GfK-Prozess

Vereinfacht besteht der GfK-Prozess aus den 4 Schritten Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte. Man sieht also, dass der GfK-Prozess eine Annäherung an die notwendige Handlung (die Handlung, die die Not abwendet) vom letzten Glied in der Kausalkette aus ist. Die Not, die fehlende, das Bedürfnis deckende Handlung, die durch die Bitte zu benennen, zu erfüllen und somit abzuwenden wäre, führt zum ungedeckten Bedürfnis. Das ungedeckte Bedürfnis führt zum unangenehmen Gefühl. Aus dem unangenehmen Gefühl, dass nicht korrekt dem ungedeckten Bedürfnis zugeordnet wurde, entsteht die verwirrende, konfliktträchtige, objektiv beobachtbare Situation.