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Den Begriff '''Widerstand''' im Kontext der psychoanalytischen Behandlung hat Sigmund Freud 1893 eingeführt und als ein vom Patienten ausgehendes Hindernis im weiteren Verlauf der Therapie bezeichnet. Freudianische Details dazu finden sich im [https://www.medizin-im-text.de/blog/2016/25015/widerstand/ Blog von Dr. med. Dunja Voos]. Im Gegensatz zu Freud fasse ich Widerstand und Abwehr als das Gleiche auf.
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Den Begriff '''Widerstand''' hat [[dewiki:Sigmund Freud|Sigmund Freud]] im Kontext der psychoanalytischen Behandlung 1893 eingeführt und als ein vom Patienten ausgehendes Hindernis im weiteren Verlauf der Therapie bezeichnet. Freudianische Details dazu finden sich im [https://www.medizin-im-text.de/blog/2016/25015/widerstand/ Blog von Dr. med. Dunja Voos]. Im Gegensatz zu Freud fasse ich Widerstand und Abwehr als das Gleiche auf.
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==Wogegen richtet sich der Widerstand?==
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Aus Sicht eines Psychoanalytikers richtet sich der Widerstand gegen den Fortschritt der Therapie. Das ist eine subjektive Auffassung des Therapeuten. Der Therapeut versucht etwas zu erreichen und der Patient sträubt sich dagegen. Das lässt sich sinnvoll verallgemeinern: Jemand versucht eine Person zu manipulieren und die manipulierte Person wehrt sich dagegen. Ihrem Wesen nach richtet sich der Widerstand nicht gegen eine Person oder gegen einen Vorgang, obwohl es von außen ganz und gar danach aussehen mag. Tatsächlich ist der Widerstand eine Form der Beharrung, eine Bewahrung. Der Widerstand ist '''für''' einen bestehenden, inneren Zustand, nicht '''gegen''' eine Person im Außen. Es ist ein Schutzmechanismus. Grundsätzlich ist der Widerstand eine wichtige Fähigkeit, etwas dass der Mensch im Prinzip braucht, um sich gegen ungewollte Einflüsse zu verteidigen. Ohne die Fähigkeit zum Widerstand könnte kein Mensch Verlässlichkeit aufweisen, Integrität, Loyalität, Kontinuität. Den Widerstand als etwas negatives zu betrachten, wäre eine Respektlosigkeit gegenüber der Natur des Menschen.
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==Was leistet Widerstand?==
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Grundsätzlich kann ein Mensch auf allen Ebenen des Seins Widerstand leisten. Die zum Ausdruck kommenden Formen des Widerstandes sind äußerst vielfältig. Hier soll es aber hauptsächlich um innere, psychische Widerstände gehen, insbesondere um den Widerstand, den das [[Unbewusste]] leistet. Die hierfür meistens gebrauchte Bezeichnung [[Unterbewusstsein]] lehne ich grundsätzlich ab, weil ich das Unbewusste als subtiler und somit 'höher' bzw. feiner als das Bewusste ansehe, womit klar sein sollte, dass es entschieden mächtiger ist. Was das Unbewusste tut, entzieht sich weitgehend der Kontrolle des Bewussten. Es hat oft Eigenschaften des automatischen, also eines Vorgangs, den man nicht erst bewusst anstoßen muss. Demzufolge entfällt auch der Moment der bewussten Entscheidung, der verhindern könnte, dass der Vorgang angestoßen würde. In dem Moment, in dem das Unbewusste der Agent des Widerstandes ist, ist sich das Bewusste nicht klar darüber, dass überhaupt ein Widerstand geleistet wird. Das ist im wesentlichen kein Defekt, sondern ein Dienst, den das Unbewusste dem Bewussten leistet, um das Bewusste zu entlasten.
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==Was wird vom Widerstand geschützt?==
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Es ist vollkommen situationsabhängig, was vom Widerstand geschützt wird. Wenn wir annehmen, dass ein Mensch tatsächlich eine psychische Fehlhaltung hat, etwas, dass als behandlungsbedürftig anzusehen ist, etwas, dass Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit des Menschen von innen heraus behindert, dann könnte es sich dabei z.B. um eine unangemessene [[Verdrängung]] handeln, also eine Verdrängung, die eventuell früher einmal hilfreich war, deren Zweck sich aber überholt hat. Das Unbewusste hat also den Auftrag übernommen, einen Aspekt der Wirklichkeit vor dem Bewussten zu verbergen. Dieser Auftrag hat zwei Stufen:
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#) Den verdrängten Aspekt nicht sichtbar werden zu lassen und
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#) Die Tatsache, dass eine Verdrängung stattfindet, nicht sichtbar werden zu lassen.
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Wenn nun, von Außen kommend, z.B. durch einen Therapeuten, eine dieser beiden Stufen in ihrer Wirksamkeit bedroht wird, so muss das Unbewusste Maßnahmen ergreifen, um die Wirksamkeit der Verdrängung aufrecht zu erhalten oder wieder herzustellen. Diese Maßnahmen äußern sich als '''Widerstand'''. In solchen Fällen zeigt sich der Widerstand Außenstehenden oft als offensichtlich unlogisches Verhalten. Für den ungeschulten oder weniger intelligenten Beobachter kann das Unbewusste eines intelligenten Menschen aber oft eine Form des Widerstandes erzeugen, die logisch erscheint und vielleicht noch nicht einmal als Widerstand wahrzunehmen ist. So ist es dem weniger intelligenten Therapeuten oft unmöglich, dem sehr intelligenten Patienten wirklich zu helfen. Der Erfolg einer Therapie hängt daher weniger von der Methode ab, als vom Ausmaß der Begabung des Therapeuten. Da es keinerlei System zur Klassifizierung der Begabung von Therapeuten gibt, ist die Wahl eines geeigneten Therapeuten bisher eine reine Glücksache.
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==Tritt immer Widerstand auf?==
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Der Widerstand tritt auf, wenn das Unbewusste daran gehindert wird, seine Aufgabe der Verdrängung zu erfüllen. Wenn man also '''gegen''' das Unbewusste arbeitet, tritt der Widerstand auf und er obsiegt immer dann, wenn der Therapeut weniger begabt ist, als der Patient.
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Wenn man aber weitestgehend [[Empathie|empathisch]] im Sinne der [[GfK]] vorgeht, dann beinhaltet das die Achtung der Aufgaben des Unbewussten. Das Unbewusste wird nicht wie ein Feind oder Gegenspieler betrachtet und somit auch in keiner Weise angegriffen oder behindert. Demzufolge gibt es für das Unbewusste keinen Anlass, Widerstand zu leisten. Das ist der Hauptgrund, warum die GfK die effizienteste Methode sein kann.
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==Wie beseitigt man den Widerstand nachhaltig?==
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Natürlich kann und soll man die Fähigkeit zum Widerstand gar nicht beseitigen, weil es eine Fähigkeit von elementarer Wichtigkeit ist. Wenn es etwas zu beseitigen gibt, dann ist es eine schädliche Verdrängung. Auch die Fähigkeit zur Verdrängung ist elementar wichtig. Aber in den meisten Fällen ist Verdrängung nur vorübergehend sinnvoll. Es liegt in der Natur der Verdrängung, dass leicht übersehen wird, sie zurück zu nehmen. Da die zweite Stufe der Verdrängung die Verschleierung der Tatsache der Verdrängung ist, scheint es gar nichts zu geben, was verdrängt war und demzufolge muss man scheinbar auch keine Verdrängung zurücknehmen. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass der Anthropologe [[dewiki:Carlos Castaneda|Carlos Castaneda]] in seiner Buchreihe über den Indianischen Schamanen [[Don Juan Matus]], beginnend mit dem Titel [[dewiki:Carlos_Castaneda#Die_Lehren_des_Don_Juan_Matus|Die Lehren des Don Juan]] diesen Mystiker erläutern lässt, dass es ein wichtiger Teil der Ausbildung zum Magier ist, sein ganzes Leben rückwärts zu erinnern. Diese gründliche und aufwendige Methode der [[Psychohygiene]] ist geeignet, viele der versehentlich verbliebenen Verdrängungen zu entdecken, wodurch sich die Gelegenheit zu deren Rücknahme erst ergibt. Ein anderer Anlass, eine Verdrängung zu entdecken, sind Konflikte - insbesondere wiederkehrende - mit sich selbst oder anderen. Nicht alle Konflikte sind ein Hinweis auf eigene verdrängte Anteile, aber überraschend viele, mehr als die Hälfte. Und Konflikte mit uns selbst sind immer Hinweise auf verdrängte Anteile. Konflikte mit uns selbst können wir auch immer innerhalb von uns selbst lösen. Um aber Verdrängungen '''nachhaltig''' zu beseitigen, ist konventionelle GfK nicht geeignet. Dafür benötigt man [[Vertiefte GfK]], die nicht nur zum vorübergehenden Aufdecken der verdrängten Anteile führt, sondern zur nachhaltigen Re-Integration. Im Gegensatz zum mühseligen Einschleifen durch ständige Wiederholungen, wie es in der Verhaltenstherapie gemacht wird, wird bei ''Vertiefter GfK'' durch eine [[Bitte an das Unbewusste]] mit dem Unbewussten empathisch kommuniziert, und man erhält so i.d.R. die widerstandsfreie Mitarbeit des Unbewussten. Um die Kooperation des Unbewussten zu bitten, anstatt gegen es anzukämpfen, ist der Grund für die um ein vielfaches höhere Effizienz der Vertieften GfK.
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==Alltägliche Formen des Widerstandes==
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Im Alltag auftretender Widerstand ist nicht unbedingt ein Zeichen für dysfunktionale Verdrängungen. Aber es ist auch nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass wir uns lediglich gegen feindliche Einflüsse wehren. Zuerst einmal ist es ein Automatismus. Das kann in vielen Fällen hilfreich und sinnvoll sein, zumal Automatismen sehr schnelle Reaktionen sind. Widerstand kostet aber auch immer Kraft. Und wenn ein Widerstands-Automatismus sehr häufig vorkommt, dann kostet das sehr viel Kraft. Wenn man also bemerkt, dass irgendetwas eine erhebliche Menge Kraft kostet, ohne dass eine echte Produktion geleistet wird, dann liegt wahrscheinlich ein wiederholter Widerstand vor. Und dann ist es sehr fraglich, ob man es einfach bei diesem Automatismus belassen sollte. Der Automatismus sollte identifiziert und überprüft werden.
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* Habe ich ein Problem in mir selbst?
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* Haben sich äußere Zusammenhänge verändert, an die eine konstruktive Anpassung versäumt wurde?
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* Haben sich innere Zustände verändert (Alterung, Krankheit) die bei gleichbleibender Belastung zu einer Zunahme von Stress, zur Überlastung führen?
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* Bewerte ich Umstände unnötig negativ, die ich auch neutral oder gar positiv sehen könnte?
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* Sind meine Erwartungshaltungen angemessen?
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Um effizient zu sein, muss man streng [[prozessorientiert]] also ergebnisoffen und selbsteinfühlsam vorgehen. Und man muss sich darüber im Klaren sein, dass man sehr viele Möglichkeiten hat, etwas zu bewerten und zu interpretieren. Denn davon hängen die Gefühle ab, die daraus entstehen und die Frage, ob ein Widerstand auftritt. Ich wehre mich nur gegen Sachen, die ich negativ bewerte. Wenn ich lerne, dass eine Sache auch ihre guten Seiten hat, lässt der Widerstand nach. Dadurch spare ich Kraft.
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Speziell Erwartungshaltungen bergen erhebliches Potenzial in alle Richtungen. Ob ich erfreut oder enttäuscht werde, hängt vom Verhältnis meiner Erwartung zum Ergebnis ab. Es gibt viele Arten, sich mit etwas abzufinden.
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# Ich kann den Konflikt nach innen verlagern, meine Bedürfnisse verdrängen und mich ständig schädigen lassen. Das geht leichter, wenn ich mich damit abfinde.
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# Ich kann aber auch einsehen, dass der Kampf um einen Fortschritt, die Aufgabe eines Pioniers, immer sehr anstrengend ist und meistens von einer langen Kette von Misserfolgen geprägt ist und von Verfolgung, Verleumdung und eingeknickten Weggenossen. Die meisten echten Pioniere werden nicht alt und bekommen zu Lebzeiten keine Anerkennung. Es ist besser, sich damit abzufinden, weil es unvermeidlicher Bestandteil ist. Das macht die Sache leichter.
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Herr, gib mir die Demut, zu ertragen, was ich nicht ändern kann.
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und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden!
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Dabei ist sauber zu trennen zwischen einer Erwartungshaltung, einer [[Bewerten|Bewertung]], einer Absicht und einem [[Bedürfnis]]!
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# Die Erwartungshaltung ist meine bestmögliche Prognose. Sie sollte realistisch sein und demzufolge jederzeit der Revision unterliegen.
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# Mein Bedürfnis ist meine Bedürfnis, ist meine Bedürfnis. Es ist grundsätzlich elementarer Bestandteil meiner Existenz.
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# Meine Absichten kann ich frei wählen.
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# Meine Bewertungen ergeben sich aus dem Verhältnis zwischen Erhaltenem und Benötigtem. Darüber, was ich wirklich brauche, kann ich in jeder Hinsicht irren.
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== Ist mein Widerstand mein Glück oder mein Unglück? ==
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Diese Frage lässt sich selbstverständlich nicht allgemein beantworten. Innerhalb einer Person kann es die unterschiedlichsten Formen des Widerstandes und der Verdrängung geben. Allerdings ist es heutzutage im Allgemeinen so, dass die Elemente der Verdrängung im Laufe des Lebens zunehmen, als Folge kleiner und großer Traumata und in Ermangelung effektiver [[Psychohygiene]]. Es wäre sehr unklug, die Summe der Abwehrhaltungen einer Person als ihren Charakter, ihre kleinen Fehler, ihre Menschlichkeit und das individuelle und somit Liebenswürdige an ihnen zu betrachten. Ich bin genau so wenig die Summe meiner Fehler, wie ich "da hinten stehe", wenn ich dort mein Auto geparkt habe. Das Liebenswürdige an meinem Auto sind auch nicht die ulkigen Geräusche, die mich früher oder später dazu zwingen werden, es in die Werkstatt zu bringen, wenn ich mich nicht bald daran mache, deren Ursachen zu beseitigen, bevor Verschleiß zu Zerstörung führt.
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Die Frage ist also, wie so oft im Leben, eine ökonomische: Was kommt mich teurer, meine Macken mit mir 'rum zu schleppen, oder sie zu korrigieren? Und diese Frage kann man sich für jede Macke, die man hat, einzeln stellen.
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* Kann ich meine derzeitigen Aufgaben, eingedenk meiner Macken erledigen?
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* Haben ich überhaupt gerade Zeit & Geld für eine Korrekturmaßnahme?
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* Erfordert die korrekte Erledigung meiner Aufgabe einen besonders klaren Geist?
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* Werde ich zu einem späteren Zeitpunkt eher mehr oder weniger Gelegenheit für Korrekturmaßnahmen haben?
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Besonders schwer sind solche Fragen für diejenigen zu beantworten, die sich über ihre '''Leistung''' definieren. '''Psychohygiene''' bedeutet immer, in diesem Moment von der Leistung Abstand zu nehmen, zurück zu treten und etwas völlig "nutzloses" in sich selbst zu tun, dessen Erfolg oft ungewiss ist.
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Ich glaube, dass es hilft, sich klar zu machen, wie lange man leben möchte, sich zu vergegenwärtigen, wie groß ein Nachteil, den man mit sich herum schleppt, ist, wenn man ihn mit der Anzahl der noch zu lebenden, noch zu arbeitenden und später wohl eher noch zu erleidenden Jahre multipliziert. Je jünger man ist, um so mehr lohnen sich Effizienz steigernde Korrekturmaßnahmen. Und um so älter wir werden, um so nötiger haben wir sie.
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Allgemein kann auch gesagt werden, dass Kinder oft gar keine andere Möglichkeit haben, als zu verdrängen, weil es ihnen naturgemäß noch an Wissen und Unabhängigkeit fehlt, sich gegen inkompetente Erziehung anders zur Wehr zu setzen. Wenn man aber erwachsen werden möchte. Wenn man Kant folgen will und im Sinne der '''Aufklärung''' [[dewiki:Sapere aude|den Mut hat, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen]], dann ist es erforderlich, frühere Verdrängungen aufzulösen. Bewusst gewordene und weiterhin als wertvoll bewertete Abwehrhaltungen sind darauf hin ganz bewusst zu praktizieren und aktiv nach kreativen Lösungen zu suchen, was bei unbewussten Abwehrhaltungen gar nicht möglich wäre. Es gibt auch hier und heute sehr viele Anlässe für '''Kognitive Dissonanzen'''. Den Kopf in den Sand zu stecken, führt aber bekanntlich nicht zur Verbesserung der Ausgangslage. Und je intelligenter man ist, um so dümmer kommt man sich dabei vor ;-) Wenn man sich dabei beobachtet, und das tun intelligente Leute, dann entwickelt man eine Abwehr gegen die eigene Abwehrhaltung, aber ohne sie aufzulösen. "Effizienz geht anders." Denn die Abwehr gegen die eigene Abwehr kostet doppelt Energie. Das ist, wie fahren mit angezogener Handbremse.
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Version vom 10. April 2019, 18:45 Uhr

Den Begriff Widerstand hat Sigmund Freud im Kontext der psychoanalytischen Behandlung 1893 eingeführt und als ein vom Patienten ausgehendes Hindernis im weiteren Verlauf der Therapie bezeichnet. Freudianische Details dazu finden sich im Blog von Dr. med. Dunja Voos. Im Gegensatz zu Freud fasse ich Widerstand und Abwehr als das Gleiche auf.

Wogegen richtet sich der Widerstand?

Aus Sicht eines Psychoanalytikers richtet sich der Widerstand gegen den Fortschritt der Therapie. Das ist eine subjektive Auffassung des Therapeuten. Der Therapeut versucht etwas zu erreichen und der Patient sträubt sich dagegen. Das lässt sich sinnvoll verallgemeinern: Jemand versucht eine Person zu manipulieren und die manipulierte Person wehrt sich dagegen. Ihrem Wesen nach richtet sich der Widerstand nicht gegen eine Person oder gegen einen Vorgang, obwohl es von außen ganz und gar danach aussehen mag. Tatsächlich ist der Widerstand eine Form der Beharrung, eine Bewahrung. Der Widerstand ist für einen bestehenden, inneren Zustand, nicht gegen eine Person im Außen. Es ist ein Schutzmechanismus. Grundsätzlich ist der Widerstand eine wichtige Fähigkeit, etwas dass der Mensch im Prinzip braucht, um sich gegen ungewollte Einflüsse zu verteidigen. Ohne die Fähigkeit zum Widerstand könnte kein Mensch Verlässlichkeit aufweisen, Integrität, Loyalität, Kontinuität. Den Widerstand als etwas negatives zu betrachten, wäre eine Respektlosigkeit gegenüber der Natur des Menschen.

Was leistet Widerstand?

Grundsätzlich kann ein Mensch auf allen Ebenen des Seins Widerstand leisten. Die zum Ausdruck kommenden Formen des Widerstandes sind äußerst vielfältig. Hier soll es aber hauptsächlich um innere, psychische Widerstände gehen, insbesondere um den Widerstand, den das Unbewusste leistet. Die hierfür meistens gebrauchte Bezeichnung Unterbewusstsein lehne ich grundsätzlich ab, weil ich das Unbewusste als subtiler und somit 'höher' bzw. feiner als das Bewusste ansehe, womit klar sein sollte, dass es entschieden mächtiger ist. Was das Unbewusste tut, entzieht sich weitgehend der Kontrolle des Bewussten. Es hat oft Eigenschaften des automatischen, also eines Vorgangs, den man nicht erst bewusst anstoßen muss. Demzufolge entfällt auch der Moment der bewussten Entscheidung, der verhindern könnte, dass der Vorgang angestoßen würde. In dem Moment, in dem das Unbewusste der Agent des Widerstandes ist, ist sich das Bewusste nicht klar darüber, dass überhaupt ein Widerstand geleistet wird. Das ist im wesentlichen kein Defekt, sondern ein Dienst, den das Unbewusste dem Bewussten leistet, um das Bewusste zu entlasten.

Was wird vom Widerstand geschützt?

Es ist vollkommen situationsabhängig, was vom Widerstand geschützt wird. Wenn wir annehmen, dass ein Mensch tatsächlich eine psychische Fehlhaltung hat, etwas, dass als behandlungsbedürftig anzusehen ist, etwas, dass Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit des Menschen von innen heraus behindert, dann könnte es sich dabei z.B. um eine unangemessene Verdrängung handeln, also eine Verdrängung, die eventuell früher einmal hilfreich war, deren Zweck sich aber überholt hat. Das Unbewusste hat also den Auftrag übernommen, einen Aspekt der Wirklichkeit vor dem Bewussten zu verbergen. Dieser Auftrag hat zwei Stufen:

  1. ) Den verdrängten Aspekt nicht sichtbar werden zu lassen und
  2. ) Die Tatsache, dass eine Verdrängung stattfindet, nicht sichtbar werden zu lassen.

Wenn nun, von Außen kommend, z.B. durch einen Therapeuten, eine dieser beiden Stufen in ihrer Wirksamkeit bedroht wird, so muss das Unbewusste Maßnahmen ergreifen, um die Wirksamkeit der Verdrängung aufrecht zu erhalten oder wieder herzustellen. Diese Maßnahmen äußern sich als Widerstand. In solchen Fällen zeigt sich der Widerstand Außenstehenden oft als offensichtlich unlogisches Verhalten. Für den ungeschulten oder weniger intelligenten Beobachter kann das Unbewusste eines intelligenten Menschen aber oft eine Form des Widerstandes erzeugen, die logisch erscheint und vielleicht noch nicht einmal als Widerstand wahrzunehmen ist. So ist es dem weniger intelligenten Therapeuten oft unmöglich, dem sehr intelligenten Patienten wirklich zu helfen. Der Erfolg einer Therapie hängt daher weniger von der Methode ab, als vom Ausmaß der Begabung des Therapeuten. Da es keinerlei System zur Klassifizierung der Begabung von Therapeuten gibt, ist die Wahl eines geeigneten Therapeuten bisher eine reine Glücksache.

Tritt immer Widerstand auf?

Der Widerstand tritt auf, wenn das Unbewusste daran gehindert wird, seine Aufgabe der Verdrängung zu erfüllen. Wenn man also gegen das Unbewusste arbeitet, tritt der Widerstand auf und er obsiegt immer dann, wenn der Therapeut weniger begabt ist, als der Patient.

Wenn man aber weitestgehend empathisch im Sinne der GfK vorgeht, dann beinhaltet das die Achtung der Aufgaben des Unbewussten. Das Unbewusste wird nicht wie ein Feind oder Gegenspieler betrachtet und somit auch in keiner Weise angegriffen oder behindert. Demzufolge gibt es für das Unbewusste keinen Anlass, Widerstand zu leisten. Das ist der Hauptgrund, warum die GfK die effizienteste Methode sein kann.

Wie beseitigt man den Widerstand nachhaltig?

Natürlich kann und soll man die Fähigkeit zum Widerstand gar nicht beseitigen, weil es eine Fähigkeit von elementarer Wichtigkeit ist. Wenn es etwas zu beseitigen gibt, dann ist es eine schädliche Verdrängung. Auch die Fähigkeit zur Verdrängung ist elementar wichtig. Aber in den meisten Fällen ist Verdrängung nur vorübergehend sinnvoll. Es liegt in der Natur der Verdrängung, dass leicht übersehen wird, sie zurück zu nehmen. Da die zweite Stufe der Verdrängung die Verschleierung der Tatsache der Verdrängung ist, scheint es gar nichts zu geben, was verdrängt war und demzufolge muss man scheinbar auch keine Verdrängung zurücknehmen. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass der Anthropologe Carlos Castaneda in seiner Buchreihe über den Indianischen Schamanen Don Juan Matus, beginnend mit dem Titel Die Lehren des Don Juan diesen Mystiker erläutern lässt, dass es ein wichtiger Teil der Ausbildung zum Magier ist, sein ganzes Leben rückwärts zu erinnern. Diese gründliche und aufwendige Methode der Psychohygiene ist geeignet, viele der versehentlich verbliebenen Verdrängungen zu entdecken, wodurch sich die Gelegenheit zu deren Rücknahme erst ergibt. Ein anderer Anlass, eine Verdrängung zu entdecken, sind Konflikte - insbesondere wiederkehrende - mit sich selbst oder anderen. Nicht alle Konflikte sind ein Hinweis auf eigene verdrängte Anteile, aber überraschend viele, mehr als die Hälfte. Und Konflikte mit uns selbst sind immer Hinweise auf verdrängte Anteile. Konflikte mit uns selbst können wir auch immer innerhalb von uns selbst lösen. Um aber Verdrängungen nachhaltig zu beseitigen, ist konventionelle GfK nicht geeignet. Dafür benötigt man Vertiefte GfK, die nicht nur zum vorübergehenden Aufdecken der verdrängten Anteile führt, sondern zur nachhaltigen Re-Integration. Im Gegensatz zum mühseligen Einschleifen durch ständige Wiederholungen, wie es in der Verhaltenstherapie gemacht wird, wird bei Vertiefter GfK durch eine Bitte an das Unbewusste mit dem Unbewussten empathisch kommuniziert, und man erhält so i.d.R. die widerstandsfreie Mitarbeit des Unbewussten. Um die Kooperation des Unbewussten zu bitten, anstatt gegen es anzukämpfen, ist der Grund für die um ein vielfaches höhere Effizienz der Vertieften GfK.

Alltägliche Formen des Widerstandes

Im Alltag auftretender Widerstand ist nicht unbedingt ein Zeichen für dysfunktionale Verdrängungen. Aber es ist auch nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass wir uns lediglich gegen feindliche Einflüsse wehren. Zuerst einmal ist es ein Automatismus. Das kann in vielen Fällen hilfreich und sinnvoll sein, zumal Automatismen sehr schnelle Reaktionen sind. Widerstand kostet aber auch immer Kraft. Und wenn ein Widerstands-Automatismus sehr häufig vorkommt, dann kostet das sehr viel Kraft. Wenn man also bemerkt, dass irgendetwas eine erhebliche Menge Kraft kostet, ohne dass eine echte Produktion geleistet wird, dann liegt wahrscheinlich ein wiederholter Widerstand vor. Und dann ist es sehr fraglich, ob man es einfach bei diesem Automatismus belassen sollte. Der Automatismus sollte identifiziert und überprüft werden.

  • Habe ich ein Problem in mir selbst?
  • Unterliege ich ständigen negativen Einflüssen von Außen?
  • Haben sich äußere Zusammenhänge verändert, an die eine konstruktive Anpassung versäumt wurde?
  • Haben sich innere Zustände verändert (Alterung, Krankheit) die bei gleichbleibender Belastung zu einer Zunahme von Stress, zur Überlastung führen?
  • Bewerte ich Umstände unnötig negativ, die ich auch neutral oder gar positiv sehen könnte?
  • Sind meine Erwartungshaltungen angemessen?

Um effizient zu sein, muss man streng prozessorientiert also ergebnisoffen und selbsteinfühlsam vorgehen. Und man muss sich darüber im Klaren sein, dass man sehr viele Möglichkeiten hat, etwas zu bewerten und zu interpretieren. Denn davon hängen die Gefühle ab, die daraus entstehen und die Frage, ob ein Widerstand auftritt. Ich wehre mich nur gegen Sachen, die ich negativ bewerte. Wenn ich lerne, dass eine Sache auch ihre guten Seiten hat, lässt der Widerstand nach. Dadurch spare ich Kraft.

Erwartungshaltungen

Speziell Erwartungshaltungen bergen erhebliches Potenzial in alle Richtungen. Ob ich erfreut oder enttäuscht werde, hängt vom Verhältnis meiner Erwartung zum Ergebnis ab. Es gibt viele Arten, sich mit etwas abzufinden.

  1. Ich kann den Konflikt nach innen verlagern, meine Bedürfnisse verdrängen und mich ständig schädigen lassen. Das geht leichter, wenn ich mich damit abfinde.
  2. Ich kann aber auch einsehen, dass der Kampf um einen Fortschritt, die Aufgabe eines Pioniers, immer sehr anstrengend ist und meistens von einer langen Kette von Misserfolgen geprägt ist und von Verfolgung, Verleumdung und eingeknickten Weggenossen. Die meisten echten Pioniere werden nicht alt und bekommen zu Lebzeiten keine Anerkennung. Es ist besser, sich damit abzufinden, weil es unvermeidlicher Bestandteil ist. Das macht die Sache leichter.

Selbstrevision

Für den Prozess der kontinuierlichen Selbstrevision gibt es einen schönen alten Merkspruch:

Herr, gib mir die Demut, zu ertragen, was ich nicht ändern kann.
Gib mit die Kraft, zu ändern, was ich ändern kann
und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden!

Dabei ist sauber zu trennen zwischen einer Erwartungshaltung, einer Bewertung, einer Absicht und einem Bedürfnis!

  1. Die Erwartungshaltung ist meine bestmögliche Prognose. Sie sollte realistisch sein und demzufolge jederzeit der Revision unterliegen.
  2. Mein Bedürfnis ist meine Bedürfnis, ist meine Bedürfnis. Es ist grundsätzlich elementarer Bestandteil meiner Existenz.
  3. Meine Absichten kann ich frei wählen.
  4. Meine Bewertungen ergeben sich aus dem Verhältnis zwischen Erhaltenem und Benötigtem. Darüber, was ich wirklich brauche, kann ich in jeder Hinsicht irren.

Ist mein Widerstand mein Glück oder mein Unglück?

Diese Frage lässt sich selbstverständlich nicht allgemein beantworten. Innerhalb einer Person kann es die unterschiedlichsten Formen des Widerstandes und der Verdrängung geben. Allerdings ist es heutzutage im Allgemeinen so, dass die Elemente der Verdrängung im Laufe des Lebens zunehmen, als Folge kleiner und großer Traumata und in Ermangelung effektiver Psychohygiene. Es wäre sehr unklug, die Summe der Abwehrhaltungen einer Person als ihren Charakter, ihre kleinen Fehler, ihre Menschlichkeit und das individuelle und somit Liebenswürdige an ihnen zu betrachten. Ich bin genau so wenig die Summe meiner Fehler, wie ich "da hinten stehe", wenn ich dort mein Auto geparkt habe. Das Liebenswürdige an meinem Auto sind auch nicht die ulkigen Geräusche, die mich früher oder später dazu zwingen werden, es in die Werkstatt zu bringen, wenn ich mich nicht bald daran mache, deren Ursachen zu beseitigen, bevor Verschleiß zu Zerstörung führt.

Die Frage ist also, wie so oft im Leben, eine ökonomische: Was kommt mich teurer, meine Macken mit mir 'rum zu schleppen, oder sie zu korrigieren? Und diese Frage kann man sich für jede Macke, die man hat, einzeln stellen.

  • Kann ich meine derzeitigen Aufgaben, eingedenk meiner Macken erledigen?
  • Haben ich überhaupt gerade Zeit & Geld für eine Korrekturmaßnahme?
  • Erfordert die korrekte Erledigung meiner Aufgabe einen besonders klaren Geist?
  • Werde ich zu einem späteren Zeitpunkt eher mehr oder weniger Gelegenheit für Korrekturmaßnahmen haben?

Besonders schwer sind solche Fragen für diejenigen zu beantworten, die sich über ihre Leistung definieren. Psychohygiene bedeutet immer, in diesem Moment von der Leistung Abstand zu nehmen, zurück zu treten und etwas völlig "nutzloses" in sich selbst zu tun, dessen Erfolg oft ungewiss ist.

Ich glaube, dass es hilft, sich klar zu machen, wie lange man leben möchte, sich zu vergegenwärtigen, wie groß ein Nachteil, den man mit sich herum schleppt, ist, wenn man ihn mit der Anzahl der noch zu lebenden, noch zu arbeitenden und später wohl eher noch zu erleidenden Jahre multipliziert. Je jünger man ist, um so mehr lohnen sich Effizienz steigernde Korrekturmaßnahmen. Und um so älter wir werden, um so nötiger haben wir sie.

Allgemein kann auch gesagt werden, dass Kinder oft gar keine andere Möglichkeit haben, als zu verdrängen, weil es ihnen naturgemäß noch an Wissen und Unabhängigkeit fehlt, sich gegen inkompetente Erziehung anders zur Wehr zu setzen. Wenn man aber erwachsen werden möchte. Wenn man Kant folgen will und im Sinne der Aufklärung den Mut hat, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, dann ist es erforderlich, frühere Verdrängungen aufzulösen. Bewusst gewordene und weiterhin als wertvoll bewertete Abwehrhaltungen sind darauf hin ganz bewusst zu praktizieren und aktiv nach kreativen Lösungen zu suchen, was bei unbewussten Abwehrhaltungen gar nicht möglich wäre. Es gibt auch hier und heute sehr viele Anlässe für Kognitive Dissonanzen. Den Kopf in den Sand zu stecken, führt aber bekanntlich nicht zur Verbesserung der Ausgangslage. Und je intelligenter man ist, um so dümmer kommt man sich dabei vor ;-) Wenn man sich dabei beobachtet, und das tun intelligente Leute, dann entwickelt man eine Abwehr gegen die eigene Abwehrhaltung, aber ohne sie aufzulösen. "Effizienz geht anders." Denn die Abwehr gegen die eigene Abwehr kostet doppelt Energie. Das ist, wie fahren mit angezogener Handbremse.